Die «Profiteure» des Lockdowns

    Welche Branchen zählen kurz- und mittelfristig zu den «Corona-Gewinnern»?

    Der Lockdown hat es schonungslos vorgeführt: Branchen und deren Unternehmen, die sich nicht antizipierend auf die Arbeitswelt der Zukunft einstellen, haben es schwer, wenn schnell auf eine neue Ausgangslage reagiert werden muss. So wie im März 2020. Besonders im Bereich Digitalisierung wurde deutlich, wer bereit ist (oder es schnell wurde) für die neue Realität im Arbeitsmarkt – und wer nicht. Wir ziehen ein Fazit: Welche Branchen haben bei ihrer Zielgruppe gepunktet und können sich auf die Schultern klopfen?

    (Bilder: Bilderarchiv BS) Es gibt sie, die «Pandemie-Sieger», die sich dank guter Reaktion während des Lockdowns und Antizipation vor demselben auf die Bedürfnisse des (Arbeits-)Marktes eingestellt haben. Die Forschung und Pharmabranche gehören dazu.

    Der Lockdown ist nun «gefühlt» fast Geschichte und (fast) alle gehen ihren Geschäften nach wie vor dem umgesetzten Pandemie-Massnahmenplan. Es ist an der Zeit, jene Branchen zu nennen, die sich nicht nur dank ihrer Innovation und Antizipation gut geschlagen haben während den einschneidenden Monaten März bis Mai 2020, sondern sogar wirtschaftlich und imagemässig profitierten. Wir nennen einige Beispiele, ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

    Die Corona-Krise trifft die Wirtschaft nach wie vor hart. Ökonomen gehen davon aus, dass dieses Jahr das Bruttoinlandprodukt BIP massiv schrumpfen wird. Das Ausmass der Krise ist noch nicht absehbar, denn in einigen Branchen wurde der Lockdown dank innovativen Massnahmen und guter Antizipation und Reaktion abgefedert. In anderen kam die Situation mit den vollendeten Tatsachen trotz Überbrückungskrediten und Hilfeleistungen des Bundes einer Katastrophe gleich.

    Vernetzung und Antizipation
    Schnelligkeit und Effizienz waren gefragt und dies haben beispielsweise viele Anbieter/innen im Weiterbildungssektor und in der ICT/IT-Branche umgesetzt. Zwei Beispiele: Die OF-Software AG in Birsfelden/BL bietet die Vernetzung eines kompletten Unternehmens mit einer Softwarelösung aus einem Haus. Sie ist auf Kundschaft in der Bau- und Haustechnik-Branche spezialisiert. Die Idee ist, dass mit der gleichen Betriebssoftware die Büro­mitarbeiter verschiedener Funktionen – das heisst konkret beispielsweise die Projektleiter, Sachbearbeiter, Sekretäre und die Geschäftsführung – sowie die Monteure, also Servicemonteur, Baustellenmonteur, leitende Mitarbeiter, mit den benötigten Tools ausgestattet werden. Diese Vernetzung schafft eine gemeinsame Plattform und bringt einen grossen Zeitgewinn und eben diese Doppelspurigkeiten vermieden werden. Da alles aus einer Hand kommt, schafft es für die führende Ebene auch eine einfache Übersicht auf sämtliche Daten, Termine und wichtigen Kennzahlen.» Dieses Vorgehen bedient das stetig wachsende Bedürfnis nach guten Lösungen bei der innerbetrieblichen Vernetzung bei der die involvierten Parteien in einer Betriebssoftware das meiste steuern können. Solche Gesamtlösungen sind nicht einfach nur ein Trend. Durch die zunehmende Durchsetzung der NEW WORK Philosophien in fast allen Branchen, will man eine totale Vernetzung der Arbeitsbereiche erreichen. Während der Coronavirus-Krise sahen sich viele Unternehmen in allen Branchen nun dazu gezwungen, sogar noch früher als geplant solche Lösungen zu forcieren. Damit man in den zum Teil komplexen Arbeitswelten nicht komplett den Überblick verliert, braucht es nachhaltige und auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnittene Angebote.

    Ein anderes Beispiel kommt aus der Weiterbildungsbranche: Die Lernwerkstadt Olten, die schweizweit führende Anbieterin im Bereich Ausbildung in Bildungsberufen und Betriebliches Mentoring. Innerhalb weniger Tage wurde im März das gesamte Angebot virtualisiert und die Klassen trafen sich dennoch wie gewohnt und zu den üblichen Kurszeiten. Statt in einem physischen Seminarraum einfach virtuell via Videokonferenzsystem. Eine grosse Herausforderung bestand laut CEO Daniel Herzog darin, die Kursleitenden sofort für das virtuelle Lernsetting fit zu machen. So meint er: «Die Lernwerkstatt Olten ist bekannt für einen aktiven und abwechslungsreichen Unterricht. Unsere Lehrgänge sollen den Teilnehmenden gleich als Beispiel eines guten Unterrichts dienen». Die Unterrichtspläne mussten in Kürze auf das neue virtuelle Unterrichts-Setting angepasst werden. 80 Kursleitende wurden in fünf Webinaren auf die neue Form des Unterrichtens vorbereitet.» In etwa gleich schnell, erfolgreich und effizient wurde das Digitale und Blended Learning auch in der TEKO Basel und anderen Höheren Fachschulen und Fachhochschulen umgesetzt. Zu betonen ist jedoch, dass vor allem die privaten Anbieter von Aus- und Weiterbildung einen Vorsprung im Digital Learning ergattert haben, während das Fazit bei den Volksschulen und generell Öffentlichen Schulen sehr unterschiedlich ausfiel (siehe Artikel in der letzten Ausgabe).

    Ein Bild aus vergangenen Tagen: Die menschenleere Freie Strasse – können die Detailhändler sich vom «Pandemie-Verliererimage» befreien dank exponentieller Umsatzsteigerung durch Kauflust?

    An Image und Kundenbindung gewonnen
    Kurz- und auch mittelfristig haben diejenigen mit einer guten Umsetzung mit der Effizienz und schnellen Reaktion einen grossen Mehrwert für sich geschaffen. Da geht es nicht nur um nackte Zahlenspiele (Umsätze, Bestellfluss, Conversion…), sondern auch um Marketing-relevante Aspekte wie eine etablierte oder sogar verbesserte Kundenbindung, gutes Image dank vorgeführter Kompetenz im Umgang mit speziellen Situationen und so weiter. Es gibt neben der Weiterbildungs- und ICT-Branche natürlich auch weitere, die sich als «Corona-Sieger/innen» feiern lassen dürfen:
    Der Onlinehandel boomte schon vorher, die Nachfrage war während des Lockdowns sehr hoch und der heimliche Nutzwert dieser Entwicklung ist, dass sich viele Menschen nun an den jenen Onlinehandel gewöhnt haben, der bisher eher weniger genutzt wurde wie beispielsweise jener für Lebensmittel-Zulieferung. Tatsache ist, dass Unternehmen wie Digitec-Galaxus und Brack.ch und andere mit der Bestellflut trotz Vorbereitung einige Wochen Probleme bekundeten. Auch in den Branchen für Kontroll- und Bezahlsysteme konnte man profitieren. Ein Beispiel: Die Bezahl-App Twint verbuchte so viele Kassenzahlungen wie noch nie, denn mit der App können Kunden ohne jeglichen Kontakt mit Kasse oder Terminal bezahlen. Gut möglich, dass viele auch jetzt und nach der Pandemie die App so einsetzen werden, weil man sich daran gewöhnen konnte.

    Interessant sind auch die Entwicklungen bei den Trading-Plattformen und Herstellern beziehungsweise den Zulieferern von Materialien, die zum Schutz vor Viren dienen (Plexiglas und so weiter…). Interessant ist auch die Entwicklung in der Pharmabranche, wo es vereinzelt auch «Corona-Gewinner» gibt. So hat beispielsweise die Roche schnelle Zulassungen erhalten für COVID-Tests. Dazu steht die Forschung in der Pharmabranche im Fokus. In Basel und weltweit arbeiten Wissenschaftler in Unternehmen und Forschungsinstituten mit Hochdruck. Weil die Entwicklung eines Impfstoffs jedoch wohl noch dauert, werden auch Medikamente gegen Covid-19 erprobt. Die Aktien vieler Pharma-Unternehmen stiegen im Kurs. Am Ende profitieren vor allem die Unternehmen, die ein COVID-relevantes Produkt schnell auf den Markt bringen. Bei Pharma- und Biotechfirmen, die solche Forschungsrennen verlieren, fallen die Aktienkurse im Nachhinein oft stark. Des weiteren erwähnenswert als «Sieger» des Lockdowns: Apotheken, Hersteller von Schutzbekleidungen und -Accessoires, Desinfektionshersteller, die Lebensmittel-Industrie und der Lebensmittel-Detailhandel, Stay-at-Home-Anbieter für Unterhaltung und Homeoffice (Streaming, Zoom etc.), Finanzhäuser und noch einige mehr.

    JoW

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