Ist der FC Basel eine Ersatzreligion?

    Eine illustre Runde diskutierte über den FCB, Fussball, Glauben und Religion

    Im Rahmen eines Schulprojektes fand vor knapp zwei Wochen ein öffentliches Podiumsgespräch zum Thema «FCB als Ersatzreligion» statt. Eingeladen hatte hiezu die römisch-katholische Kirche Basel-Stadt ins «L’Esprit» an der Laufenstrasse 44 im Gundeli-Quartier.

    (Bild: Küng) Meinrad Stöcklin (Bildmitte) hatte eine illustre Runde auf dem Podium, die engagiert und kurzweilig über Glauben, FCB und Religion diskutierte

    Nein, wir ziehen noch keine (sportliche) Bilanz über die Vorrunde der Saison 2018/19. Die Tagesmedia berichten ja zur Genüge über den FC Basel, der für viele auch «mès que un club» (in Anlehnung an den katalanischen FCB, gemeint ist der FC Barcelona) ist. Während bei «Barça» dieses «mehr als ein Klub» primär politischer Natur ist, scheint der rot-blaue Stadtklub für einige Menschen auch eine Art Religion zu sein.

    Im Grossen Saal des «L’Esprit» hatten sich gut 150 Interessierte eingefunden; dass zur gleichen Zeit «Champions-League-Zeit» war und der Schweizer Meister (der zum Leidwesen der rot-blauen Anhängerschaft nicht FCB, sondern BSC Young Boys heisst und aus der Bundeshauptstadt kommt) in Valencia spielte, war unwichtig, ja uninteressant. Fussball in Basel ist rot-blau und heisst FCB. Fertig!

    Ex-Fussballer, Fans, Funktionär und Theologen
    Auf dem Podium hatten sechs Persönlichkeiten Platz genommen. Marc-André Wemmer, katholischer Pfarrer in der Pfarrei Heiliggeist und durchaus fussball-afin, denn wer im Ruhrpott, genauer in Dortmund, aufwächst, kommt mit Fussball in Berührung. Zweite «Geistliche» war Monika Widmer, Pfarrerin der reformierten Kirchgemeinde Gundeldingen-Bruderholz. Sie gab freimütig zu, mit «Fussball wenig am Hut zu haben». Der FC Basel hatte zwei Exponenten delegiert – einer genoss einst Kultstatus und heisst Massimo Ceccaroni. Ein Mann, den man nicht näher vorstellen muss; ein Fussballer, der weniger talentiert als Messi und Ronaldo war – und mit Ehrgeiz, Herzblut, Kampfkraft, Leidenschaft und Passion dennoch eine Grösse wurde. Es sei dem Chronisten, der «Massi» seit 30 Jahren kennt, die Anmerkung erlaubt, dass der Vollblut-Basler mit italienischen Wurzeln (die er nie vergessen hat) zu einer Zeit kickte, wo man mit der Basler Fussballkunst noch nicht Millionär wurde. Ceccaroni arbeitete zeitweise in einem 50-Prozent-Pensum im kaufmännischen Bereich, «um meinen Lohn aufzubessern, der zum Leben kaum genügte». Roland Heri, dessen Bezeichnung COO lautet, ist kein Mann der lauten Worte, kein Profilneurotiker und kein Schaumschläger, sondern eine Persönlichkeit, die den Fussball richtig zu gewichten weiss. Vielsprachig, als Kaufmann weltoffen und weitgereist, waren seine Voten stets gewichtig. Mit Edi und Marc nahmen zwei «Hardcore-Fans» aus der Muttenzerkurve auf dem Podium Platz: Marc schaffte es, mit seiner direkten, saloppen Sprache, die Zuschauer oft zu spontanem Applaus zu bewegen. Beide gaben zu, dass sich in ihrem Leben nahezu alles um den FC Basel dreht.

    (Bild: zVg) Für viele ist der FC Basel durchaus eine Art «Religion»

    Kritischer Moderator
    Moderiert wurde das Gespräch von Meinrad Stöcklin; auch er eine bekannte Persönlichkeit. Einst Sportchef bei der «Basellandschaftlichen Zeitung» (zu dessen unabhängigen Zeiten notabene), war er danach über 16 Jahre lang Mediensprecher der Polizei Basel-Landschaft. Seit kurzem ist der in Frenkendorf wohnhafte Reinacher in einer Teilzeitfunktion als Leiter Fachbereich Kommunikation bei der Römisch-Katholischen Kirche Basel-Stadt tätig. Und Stöcklin präsidiert seit über 20 Jahren die «Vereinigung der Baselbieter Sportjournalisten». Dass sein Herz für Handball schlägt und er dem Fussball, und hier insbesondere dem FCB, sehr kritisch gegenüber steht, wissen nicht nur Insider.

    Glauben, Religion – gepaart mit Fussball, das war schwere Kost und es war nicht leicht, einen roten Faden zu finden. Aber die Diskussion und die Voten fesselten die Anwesenden – so heterogen das Podium auch zusammengestellt war, so sehr gab es auch Paralellen. Ist es Blasphemie, Fussball (die simpelste Sportart) mit Religion, Glauben und Gott in Verbindung zu bringen? J-ein!

    Glauben ja, Fanatismus nein
    So, wie sich das Wort «Fan» von Fanatismus ableitet (die Auswüchse im Fussball beweisen es tagtäglich), so gibt es auch in der Religion einen Fanatismus. Im Mittelalter fanden die Kreuzzüge (die nichts anderes als Massaker waren) in Namen Gottes statt. Heute werden Attentate ebenfalls im Namen von Allmächtigen (Allah, Mohammed) ausgeführt. Andererseits glaubt der Fussballanhänger an seinen Verein, an die Klubfarben – und auch wenn die Landeskirchen in den letzten Jahrzehnten viele Mitglieder verloren haben, so gibt es durchaus Gottesdienste, die sehr gut besucht werden. Meist diejenigen von Theologen (Pfarrer/In), die unkonventionelle Predigen halten …

    Es ging vergessen, dass viele Profifussballer sehr gläubig sind. Gerade brasilianische Ki-cker bekennen sich zu Glauben und Gott. Auch bei afrikanischen Spielern hat der Glaube – oft an etwas «Überirdisches» – eine enorme Bedeutung. Rituale und Beihilfe «von oben» sind allgegenwärtig – auch an den Weltmeisterschaften zelebrieren afrikanische Teams faszinierende Rituale.

    Berührungspunkte und Gemeinsamkeiten
    Bei der Veranstaltung ging es nicht darum, eine Antwort auf die Frage zu finden, ob der FCB eine Ersatzreligion ist (Ja oder Nein). Viel wichtiger war eine lebendige Diskussion zwischen Teilnehmern, die auf den ersten Blick wenig Berührungspunkte hatten. Und doch mehr Gemeinsamkeiten aufweisen als man glauben könnte. Jedenfalls kann sich FCB-Fan Marc vorstellen, eine Messe zu besuchen – und Pfarrerin Widmer könnte sich durchaus den Besuch eines FCB-Spieles im St. Jakob-Park vorstellen. Auch in der Muttenzerkurve!

    Und es wurde zurecht darauf hingewiesen, dass die Fussballsprache oft Definitionen braucht, die man auch zu Kirche/Religion assoziiert. Für viele ist das «Joggeli» schlicht ein (Fussball-)Tempel. Nicht nur Oliver Kreuzer wurde als Fussballgott bezeichnet – diese Auszeichnung bekam «Cecca» schon früher. In Wembley (London) wird auf dem Heiligen Rasen gespielt … Kurzum: Religion (Glauben, Kirche) und Fussball schliessen sich nicht aus, sondern ergänzen sich wohl mehr, als mancher denkt.

    Jordi Küng

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